Philosophie

Wer wollte sich heute selbst „Philosoph“ nennen? Ein abwegiger Gedanke… Philosophie wäre eine Bemühung um’s Ganze, um tragende Gründe – aber doch schwerlich noch mit „echter“ Autorität. Nicht allein Ideologiekritik und wissenssoziologische Bemühung stellen sich dem mit Nachdruck in den Weg. Und nicht erst die „fundamentalontologisch“ orientierte „Destruktion“ hat für dem philosophische Nachdenken selbst diese Konsequenz angetragen: wenn auch allerdings durchsichtig gemacht.

Gerade die Befassung mit dem systemischen Beschluß der eigentlichen Geschichte der Philosophie (und ihrer Philosophen) selbst – im „objektiven Idealismus“ G. W. Fr. Hegels – weist bereits den Anspruch der Vernunft in seiner wesentlich zyklischen, zirkulären Grundstruktur aus: als in der Ausarbeitung von Ansprüchen begriffen, die nicht – wie man in der Folge, in Ausdünnung der Perspektive, gesagt hat und sagt – etwa „implizit“ erhoben wären, vielmehr aus der „praktischen“ Einlassung auf die zwischen Menschen auszumachende und geltende Sache unvermeidlich und hinterrücks „historisch“ resultieren.

„Recht der Objektivität“ hieße insofern: daß nicht zuletzt auch die Objektivität des Rechts (und überhaupt von Welt) als das vom subjektiven Verfügen her sich als wieder relativ unverfügbar Einstellende sich ergibt. So zu Ende gedacht, zum Ende gebracht, wird Weltordnung fraglich, aber doch umso weniger gleich obsolet. Mit Romantik, Historismus und dem darauf Folgenden wäre diese Thematik auf Teilbereiche übergegangen, deren gesamt-Zusammenhang nurmehr in seiner philosophischen Vergangenheit noch sichtbar zu machen sein kann.

„Letztbegründung“ kann, darf und sollte – gerade auch für den Bereich des Rechts und also von einer „Rechtsphilosophie“ – dann allerdings entschieden nicht erwartet werden. Wie sollte so etwas übrigens auch „nach Auschwitz“, nach der shoah (die schließlich, in ihrer Ungeheuerlichkeit, in keinen wie groß auch immer ausgezogenen Kreis sich einschreiben ließe und jedem pathos des „großen Ganzen“, ja überhaupt auch von „Gemeinschaft“ den Boden entzieht) noch legitimerweise vonstatten gehen können?

Das den Opfern zugefügte Leiden versperrt und entzieht sich jeder Rechtfertigung. Auch das Recht kann nurmehr insgesamt seiner möglichsten Verringerung und Eingrenzung dienen (auch insofern an Tätern noch überhaupt etwas zu retten ist). „Auf der richtigen Seite“, mit dem entsprechenden „guten Gewissen“, läßt sich hier indessen schlechthin nicht mehr platznehmen: solange eben der Mensch des Menschen Ungeheuer ist.

Sowenig deshalb auch Moralisierung der Behebung dieses Mangels (und nicht vielmehr im Gegenteil noch stets nurmehr noch zur Legitimierung weiterer Gewalt) zu dienen vermag: ihrer vor diesem Hintergrund unaufhebbaren moralischen Fragwürdigkeit hat sich auch philosophische Reflexion unablässig aufs Neue zu vergewissern, statt noch immer gewissermaßen auf Augenhöhe mit „Wahrheit“ und „Gerechtigkeit“ zu operieren.

„Historisch“ und „systematisch“ (wie ja bekanntlich philosophischem Denken die Alternative gestellt wird) mag die Bemühung also auch weiterhin sein: aber doch nur beides in einem, eins das andere durchkreuzend, in die Frage stellend: und so in seiner noch allemal fortbestehenden, aber begrenzten Relevanz erschließend.

Der Liebe zum Wissen (wenn anders geradezu von „Weisheit“ in einem emphatischen Sinne auch nicht mehr zu reden sein möchte) sollte das, recht verstanden, keinen Abbruch tun.